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Standort Stolpersteine in Rhede, Hohe Straße 7
Mathilde Cleffmann war das älteste Kind des Ehepaares Abraham und Alheida Cleffmann aus Rhede. Sie wurde am 21. März 1872 in Rhede geboren.
1939 war Mathilde schon seit einigen Jahren in der Provinzial-Heil-und-Pflegeanstalt Münster. Laut Angaben des Anstalts-Archivs wurde „Frau Mathilde Cleffmann am 21.09.1940 in die Heilanstalt Wunstorf überführt ... Krankenakte und Krankengeschichte wurden am 26.09.1940 an die 'Gemeinnützige Krankentransport GmbH' [Gekrat bzw. GeKraT]... gesandt.“
Im November 1938 waren in Wunstorf, Niedersachsen, fünf jüdische Männer und eine jüdische Frau untergebracht. „Diese Zahl erhöhte sich im September 1940 dramatisch, nachdem ein Erlass des Reichsministers des Inneren bestimmte, dass jüdische Patienten in eine Sammelstelle zu verlegen seien. Die zuständige Anstalt für den Großraum Hannover und Westfalen war Wunstorf. Im September 1940 wurden jüdische ... Kranke aus insgesamt 25 Anstalten in Wunstorf zusammengepfercht. [Darunter befand sich auch Mathilde Cleffmann.]. Am Morgen des 27. September 1940 deportierte sie die T4-Unterabteilung GeKraT mit der Deutschen Reichsbahn zur Ermordung in die [als Duschen getarnten Gaskammern der] T4-Tötungsanstalt Brandenburg/Havel.“
Mathilde Cleffmann gehörte am 27. September 1940 zu den Ermordeten.
Louis Cleffmann, Selma Jonas-Cleffmann, Ruth Rose, Werner und Erika Cleffmann
Louis Cleffmann wurde am 16. Dezember 1873 in Rhede geboren.
Hier besuchte er die Volksschule und lernte danach das Metzgerhandwerk. Mit 25 Jahren machte er sich in einer Hälfte des elterlichen Hauses auf der Hohen Straße 7 selbstständig. Er betrieb seine Rinder- und Schweinemetzgerei bis zum 1. Mai 1931, danach zog er sich in den Ruhestand zurück und vermietete sein Geschäft an Bernhard Brinkhaus. 1939 verkaufte er es schließlich an seinen Mieter.
Am 9. Oktober 1907 heiratete er Selma (Sara) Jonas, geboren am 01. August 1882 in Borken. Das Ehepaar Cleffmann bekam drei Kinder: Ruth, Werner und Erika.
Louis Cleffmann war ein angesehener Rheder Bürger. Er war u.a. Mitglied, Schützenmajor und aufgrund seiner Verdienste Träger des Ehrendegens des St. Hubertus-Schützenvereins Rhede (später „St. Jakobi-Schützenverein“ genannt). 1910 war Louis Schützenkönig.
In der NS-Zeit wurden auch die Cleffmanns ausgegrenzt und drangsaliert. Was in der Pogromnacht bei den Cleffmanns geschah, berichteten Augenzeugen:
„Am 8. November 1938 gegen Mitternacht wurde das Ehepaar Cleffmann (65 und 56 Jahre alt) unter Gegröle von Uniformierten aus dem Schlaf gerissen. Die Wohnung wurde z.T. demoliert. Herr und Frau Cleffmann mussten unter Bedrohungen in der Wohnung Exerzierübungen machen. Bei Abzug nahmen die Randalierer wertvolle Gegenstände mit.“
„Frau Cleffmann lebte von diesem Tag an in panischer Angst vor einem nochmaligen Überfall. Das Ehepaar betrieb mit großer Intensität die Auswanderung. Unbemerkt von den Nachbarn verließen beide Rhede am 10. August 1939, drei Wochen vor Kriegsausbruch. Am 29. August 1939 reiste das Ehepaar Cleffmann in die Schweiz ein. Louis kam mit einem Visum zur Teilnahme an einem zionistischen Kongress in Genf. In Basel wurden Selma und er auf der Durchreise vom Kriegsausbruch überrascht.
Selma Cleffmann hat die Flucht nicht überlebt. Sie starb am 4. September 1939, 57-jährig, in Basel an einem Herzanfall, angeblich aufgrund des Schocks über den Kriegsausbruch. Sie wurde auf dem Israelitischen Friedhof in Basel begraben.
Der Witwer Louis Cleffmann blieb in Basel. Eine Weiterreise zu seiner Tochter Ruth nach Frankreich oder später in die USA war nicht möglich. Louis Cleffmann erhielt in Basel immer wieder eine Verlängerung der kurzfristigen Tolereranzbewilligung. 1948 bekam er das Dauerasyl in der Schweiz.
Louis Cleffmann starb am 10. Oktober 1956 in Basel.
Die drei Kinder des Ehepaares Louis und Selma Cleffmann:
geboren am 13. August 1908 in Rhede schloss die Ehe mit Joseph Singer am 24. Januar 1939 in Amsterdam
Sie hatte Rhede am 23. Mai 1936 verlassen, ging zunächst nach Amsterdam, lebte 1939 in Lyon/Frankreich und emigrierte im Oktober 1941 aus Frankreich in die USA. Nach dem Krieg kehrte sie nach Lyon zurück.
Werner Cleffmann, geboren am 27. April 1910 in Rhede, verließ Rhede 1936 und wanderte über Frankreich nach Palästina aus. Er wurde am 11. Mai 1938 in Palästina eingebürgert. Dort arbeitete er in einer Wurstfabrik. Seine Ehefrau lernte er im Internierungslager in Frankreich kennen. Er starb vor 1988 in Israel.
Erika Cleffmann (verheiratete Shaya) wurde am 25. Februar 1920 in Rhede geboren.
Sie verließ Rhede am 19. Mai 1938. Nach verschiedenen Stationen (Schweiz, Ricavo di Kastilina/Provinz Siena/Italien, Halmstad/Schweden) lebte sie seit 1948 in Chibbat-Zijon/Israel. Zusammen mit ihrem Mann, den sie in Italien kennen lernte und ehelichte, betrieb sie eine Obstplantage.
Sie starb nach 1992. Das Ehepaar hatte einen Sohn, Sariel Shaya.
Emanuel (auch Emmanuel, Imanuel) Mühlfelder
Emanuel Mühlfelder wurde am 22. Mai 1875 in Gleicherwiesen im damaligen Herzogtum Sachsen-Meiningen geboren.
Emanuel verließ seinen Heimatort und kam 1906 nach Rhede. Hier heiratete er am 13. August 1906 Sophia Cleffmann. Emanuel mietete die rechte Haushälfte des Elternhauses seiner Frau neben der Metzgerei seines Schwagers Louis Cleffmann und führte hier ein Manufakturwarengeschäft.
Nachdem er im Ersten Weltkrieg zum Militär einberufen worden war, wurde er nach 1918 Mitglied des Rheder Kriegervereins. Außerdem war er Mitglied im St. Jakobi-Schützenverein.
In der NS-Zeit allerdings war auch er Schikanen ausgesetzt. So stand „als die Nazis zum Boykott der jüdischen Geschäfte aufriefen, […] auch oft ein Rheder SA-Mann vor den Geschäften Mühlfelder und Cleffmann Posten, um die Leute dort vom Kauf abzuhalten. Emanuel Mühlfelder, der noch zu uns zum Rasieren kam, bei vielen waren die Juden schon 'unerwünscht', sagte einmal zu meinem Vater: 'Gerade dieser SA-Mann schuldet uns noch das Geld für einen Anzug“, berichtete im Jahre 1988 Johannes Reygers, ein Nachbarsohn und Freund Alfreds, des Sohnes von Emanuel und Sophia Mühlfelder. 1935 musste das Ehepaar Mühlfelder wegen staatlicher Maßnahmen und auch wegen der Auswirkungen der auch in Rhede aufkommenden antijüdischen Stimmung sein Geschäft aufgeben. Schon 1933 wurde Emanuel Mühlfelder nicht mehr zur Gewerbesteuer veranlagt, „da das Geschäft keine Bedeutung mehr hatte“.
Emanuel und Sophia Mühlfelder zogen am 26. Oktober 1935 nach Bocholt zunächst in die Ludgerusstraße 4, dann gezwungenermaßen in die Judenhäuser Stiftstraße 32 und später in die Schwartzstraße 14.
Hatte man bisher nur arbeitsfähige Juden unter 65 Jahren deportiert, begann man nun im Zuge der „Endlösung“ auch die „privilegierten“ Juden über 65 Jahren in die Konzentrations- und Vernichtungslager zu schicken. Jetzt ergingen keine Aufforderungen mehr an die Gemeinden, die Juden zu einem bestimmten Zeitpunkt durch die örtliche Polizei einem Transportführer zu übergeben.
Am 27. Juli 1942 gegen 22.30 Uhr wurden die acht jüdischen Bewohner des Hauses Schwartzstraße 14 von Beamten der Staatspolizeileitstelle Münster abgeholt und mit einem Möbelwagen in das Sammellager in der ehemaligen Gaststätte Gertrudenhof am Kaiser-Wilhelm-Ring in Münster gebracht. Nach vier Tagen in Münster, während denen sie ständig schikaniert und gedemütigt wurden, wurden sie in das Ghetto Theresienstadt deportiert und am 23. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka gebracht.
Sophia (Sophie) Mühlfelder, geborene Cleffmann
Sophia Mühlfelder, geb. Cleffmann wurde am 16. Februar 1875 in Rhede geboren. Am 13. August 1906 heiratete sie hier Emanuel Mühlfelder aus Gleicherwiesen im damaligen Herzogtum Sachsen-Meinigen.
Sophia wohnte weiterhin in ihrem Elternhaus, Hohe Str. 7, in dem ihr Mann ein Manufakturwarengeschäft und ihr Bruder Louis eine Metzgerei betrieben. Hier arbeitete sie als Hausfrau und zog die beiden Kinder groß, die sie und ihr Mann bekommen hatten.
Im Dritten Reich teilte sie das tragische Schicksal ihres Mannes Emanuel: Schikanen und Repressalien, die Geschäftsaufgabe 1935, die drei erzwungenen Umzüge, 67-jährig die Deportation nach Theresienstadt 1942 und die Ermordung in Treblinka.
In Rhede wurden Emanuel und Sophia Mühlfelder zwei Kinder geboren:
Alfred Mühlfelder geboren am Juli 1907 in Rhede
Hilde Mühlfelder geboren am Dezember 1908 in Rhede
Alfred, das älteste der beiden Kinder des Emanuel und der Sophia Mühlfelder, wurde am 09.07.1907 in Rhede geboren. Er war Mitglied und aktiver Fußballspieler des 1920 gegründeten VfL Rhede.
Schon früh sah er, dass er als Jude im nationalsozialistischen Deutschland keine Zukunft hatte und emigrierte 1933 nach Palästina. Hier arbeitete er später als Hausmeister an einer Schule. Verheiratet war er mit Fruma. In Israel nannte Alfred Mühlfelder sich „Ephraim Milfelder“.
Hilde Mühlfelder wurde am 07. Dezember 1908 in Rhede geboren.
Sie arbeitete laut ihrer Heiratsurkunde als Kontoristin. An ihrem 19. Geburtstag, am 7. Dezember 1927, verließ sie Rhede. In Köln heiratete sie am 24. Dezember 1936 Max Schwarz. Das Ehepaar Hilde und Max lebte zuletzt in Köln in der Kurfürstenstr. 18, Neustadt-Süd. Von dort wurde das kinderlose Ehepaar Schwarz am 07. Dezember 1941 (Hildes 33. Geburtstag) nach Riga deportiert.
Hildes Ehemann, Max Schwarz wurde am 05. Mai 1898 in (Wuppertal-) Elberfeld geboren. Er arbeitete als Vertreter, wurde aber 1941 als arbeitslos („ohne Gewerbe“) geführt.
Quelle
Die Rheder Juden, Herausgeber: Heimat- und Museumsverein Rhede
Bearbeiterin: Magda Hentschel, Bearbeiter: Berthold Kamps
Abbildungen der Stolpersteine, Stadtarchiv Rhede